zweifeln, glauben,
staunen

Um es zu wiederholen: Eine Identität wird sowohl gesellschaftlich zugeschrieben wie auch gesellschaftlich aufrechterhalten. Es wird einer, was andere in ihn hineinlegen und er bleibt es, wenn andere ihn in diesem Verständnis stützen. Bleibt diese Bestätigung aus oder entspricht sie nicht den eigenen Erwartungen, wird Identität früher oder später verschwommen. „Man kann unmöglich auf längere Zeit irgendetwas sein, wenn man dabei nur auf sich selbst angewiesen ist: Andere müssen uns sagen, wer wir sind. Andere müssen unsere Identität bestätigen.“ *(Wir und 52)* Identität wächst nicht „von Innen nach Außen“, sondern von „Außen nach Innen“. *(Luckmann)*


In einer Welt, die dem Priestertum wenig oder keinen Sinn mehr zuspricht, ist ein Identitätsverlust für den Priester daher fast unvermeidlich. Der Priester erfährt jene Bestätigung nicht mehr, die ihn in seinem Selbstverständnis aufrechterhielte, oder er wird bestätigt in einem Verständnis, das er selbst für wenig erstrebenswert hält, beispielsweise als „heiliger Aussenseiter“ *(Holenstein 15)*oder als Hüter musealer Traditionen. Nach und nach beginnt die priesterliche Physiognomie zu zerfließen. Der Priester weiß nicht mehr, wer er ist und was er tun soll. Er erfährt sich als „Mann ohne richtigen Beruf“, leidet an seiner Inkompetenz.

Seine einstmals zentrale Stellung im Volk ist vorbei, ein neuer Standort noch nicht gefunden. Es entsteht ein Gefühl der Ortlosigkeit.


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Er hörte leise Schritte hinter sich. Das bedeutete nichts Gutes. Wer würde ihm schon folgen, spät in der Nacht und dazu noch in dieser engen Gasse mitten im übel beleumundeten Hafenviertel? Gerade jetzt, wo er das Ding seines Lebens gedreht hatte und mit der Beute verschwinden wollte! Hatte einer seiner zahllosen Kollegen dieselbe Idee gehabt, ihn beobachtet und abgewartet, um ihn nun um die Früchte seiner Arbeit zu erleichtern? Oder gehörten die Schritte hinter ihm zu einem der unzähligen Gesetzeshüter dieser Stadt, und die stählerne Acht um seine Handgelenke würde gleich zuschnappen? Er konnte die Aufforderung stehen zu bleiben schon hören. Gehetzt sah er sich um. Plötzlich erblickte er den schmalen Durchgang. Blitzartig drehte er sich nach rechts und verschwand zwischen den beiden Gebäuden. Beinahe wäre er dabei über den umgestürzten Mülleimer gefallen, der mitten im Weg lag. Er versuchte, sich in der Dunkelheit seinen Weg zu ertasten und erstarrte: Anscheinend gab es keinen anderen Ausweg aus diesem kleinen Hof als den Durchgang, durch den er gekommen war. Die Schritte wurden lauter und lauter, er sah eine dunkle Gestalt um die Ecke biegen. Fieberhaft irrten seine Augen durch die nächtliche Dunkelheit und suchten einen Ausweg. War jetzt wirklich alles vorbei,